Ina aus Drolshagen

Ina Rudi wurde im sonnigen Kirgisistan geboren und wuchs teilweise dort und zeitweise in Kasachstan auf, im Dezember 1992 siedelte sie als achtzehnjährige nach Deutschland um. Nach erfolgreichem Abitur und Wirtschaftsstudium als Diplom-Kauffrau, arbeitete sie viele Jahre im mittleren Management beim DM – Drogerie markt GmbH & Co. KG. Mit der Geburt ihrer Töchter und weiteren privaten Veränderungen füllte sie eine Selbständigkeit als Beraterin im Gesundheitsbereich aus. Die Begeisterung für die Natur nutzt Ina nun, um Menschen zu mehr emotionaler und physischer Gesundheit zu verhelfen. 

Schmetterlings Erfahrungsfeld … 

Unermüdliche Neugierde und Tatendrang sind seit der Haus- und beinahe Gartengeburt meine treuen Begleiter auf meinem Erfahrungsfeld. Genauer genommen nahm meine Reise im sonnigen Kirgisistan, in der Schweiz Mittelasiens, den Anfang. Meine Mutter pflegte gerade unseren Gemüsegarten, als ich diese Welt unbedingt im sonnigen Garten bei vierzig Grad Celsius im Schatten erblicken wollte.  

Als kleines blondes Mädchen mit leicht lockigen im Wind verwehten offenen Haaren in einem kurzem luftigem Baumwollkleidchen flatterte ich, wie ein Schmetterling, genüsslich und voller Vertrauen in diese wundervolle Welt auf den verstaubten Straßen zwischen den wohlduftenden, zarten Edelweiss- und bunten Tulpenfeldern im Frühling und roten Mohn-, Salbei-, Wassermelonen-, Mais-, Getreide- und Tomatenfeldern im Sommer bzw. Herbst. Gerade mal 6 -7 Häuser entfernt begann das bunte und ruhige Paradies, dass auch wie die großen privaten Obst- und Gemüsegärten von den händisch angelegten Aryks (Kanälen) mit dem eiskalten Tauwasser des „Himmelsgebirges“ regelmäßig geflutet und zum riesigem Wasserspielplatz für uns Kinder wurde.  

Ja, meine vier Brüder und ich wuchsen wie im Paradies auf. Reichlich Sonne und frisches reines Gebirgswasser machten unsere Heimat zum reichen Landschaftsbaugebiet. Wenn ich Hunger hatte, konnte ich mich je nach Jahreszeit an Beeren und Gemüse diverser Art oder großen „Ochsenaugen“ (Weintrauben), himmlisch duftenden, saftigsten und süßesten Aprikosen und Nektarinen dieser Welt in unserem Garten erfreuen. Im Winter durften wir uns an den selbst eingemachten Reserven bedienen. Schnee gab es bei uns auch, aber meist mit Sonnenschein begleitet. In der kalten Jahreszeit verschlang ich mit Hingabe Unmengen an Büchern in unserer Schulbibliothek. Nach dem Unterricht rannte ich meist dort hin, um mir die Neuzugänge schnellstmöglich zu sichern. Der angenehme Geruch der frisch gedruckten Bücher lässt mein Herz immer noch voller Hochgefühle flattern.  

Aber auch Omas zweihundert Jahre alte Bibel in altdeutscher Schrift und mit schönen Illustrationen faszinierte mich. Diese hatten ihre Vorfahren im achtzehnten Jahrhundert bei der Auswanderung nach Russland mitgenommen. Manchmal war ich an Sonntagen mit meinen Großeltern zu heimlichen Gottesdiensten in privaten Kreisen mitgegangen. Diese hatten jedes Mal bei einer anderen Familie auf Deutch stattgefunden und waren sowohl von Zuversicht und Selbstverständlichkeit geprägt.  

Bis heute, insbesondere an regnerischen Tagen, vermisse ich meinen sonnigen Geburtsort das Dorf Voznesenovka (übersetzt Himmelfahrt), dass im prächtig grünen und von Sonne verwöhntem Tal vor den Füßen des gewaltigen Tian Shan – Gebirge (Tienschan) liegt. Das dortige multikulturelle Leben war von einem sehr freundschaftlichen, gastfreundlichen, arbeitsreichen und trotzdem gelassenen Alltag geprägt. Die Bereitschaft der Dorfbewohner, aus den verschiedensten Republiken der ehemaligen Sowjetunion, sich jederzeit gegenseitig zu unterstützen rundeten mein Weltbild ab.  

Ina, Drolshagen, 2023. Fotografiert von Dirk Vogel.

Damals konnte ich noch gar nicht ahnen, wie stark mich Gottes Gegenwart, die zwischen-menschlichen Erfahrungen, die Gewohnheit bzw. das Bedürfnis nach Sonnenschein und Wärme, die Liebe zu Mensch und Natur in schweren Zeiten stützen würden. Wie gut wir doch mit Gottes Hilfe mit „Sonnenschein“ gefüllt werden können, wenn wir uns in einer „dunkleren“ bzw. herausfordernden Wachstumsphase befinden. 

Während der „Perestroika“- Zeit (Wende) war meine Familie mitten in den Auswanderungs-vorbereitungen. „Zurück in die Heimat“- hieß es. Die Preise stiegen von Woche zu Woche ins Unermessliche. Die Verunsicherung in der Familie war groß: „Dürfen wir überhaupt ausreisen? Wenn die Regierung es erlaubt, reicht uns das Geld überhaupt noch dafür aus?“   

Dank Gottes Geschenk – der wundervollen Natur, die uns umgab und unsere Liebe zu ihr fanden wir immer wieder Kraft und Hoffnung weiterzumachen. Die Ausflüge ins mächtige und müßige Hochgebirge im Herzen Zentralasiens auf der ehemaligen Seidenstraße waren ganz besondere Energiemomente. Die malerischen Schluchten, Täler und thermischen Seen, majestätischen Gebirgsketten, stürmische Flüsse, spektakuläre Wasserfälle, sehr imposante Täler und schönsten Pässe, traumhaft duftende Salbeifelder ließen uns verzaubern und all die Probleme, die die Menschen selbst produzieren vergessen. 

Lichtmomente und Erleuchtungen 

Der Weg vom sonnigen Kirgisistan nach Deutschland führte unsere gesamte Familie vom Gewohnten ins Unbekannte. Vom Licht in die Finsternis. Der Übergang vom Licht ins Dämmerlicht: nur vage bis gar keine Vorstellungen vom Leben in Europa, ins Schattenreich subjektiver Wahrnehmungen und Erzählungen anderer, dann zum Schattenspiel: eigene erste Schritte und Erfahrungen führten mich aus dem schwarzen Loch bzw. aus der Finsternis (finis terra =Ende der Welt) der Orientierungslosigkeit.   

Als 18-jährige junge Frau begab ich mich auf eine Reise und tauchte erstmal in die Unsichtbarkeit und Unübersichtlichkeit ein. Die deutsche Sprache meiner Vorfahren, die im 18-ten Jahrhundert nach Russland auswanderten und später im ersten Weltkrieg in die kasachische Steppe vertrieben wurden, hatte sich nicht weiterentwickelt. Außerdem habe ich die Sprache kaum aktiv benutzt – sondern, im Gegensatz zu meinen Eltern und Großeltern, die Amtssprache Russisch gesprochen. Ohne die deutsche Sprache gut verstehen zu können fühlte ich mich zeitweise wie ein hilfloses bzw. orientierungsloses Baby. Nicht gerade einfach in dem Alter, in dem man endlich die Welt erkunden und sich in die Sichtbarkeit bringen möchte.  

Mit gerade ca. vierzig Jahren mussten meine Eltern, Mutter gelernte Friseuse und Vater leitender Ingenieur in der Entwicklungsabteilung eines großen Werkes, ihr Haus, Auto, Arbeit – alles aufgeben – und komplett von null anfangen. Und dies in allen Bereichen. Ihre Abschlüsse und Berufserfahrung wurden damals im Vergleich zu heute leider nicht anerkannt. Um seine Familie durchzubringen, musste mein Vater als Maschinist arbeiten. In diesem Alter mit zwei schulpflichtigen Kindern und mit lückenhaften Deutschkenntnissen mit einer Berufsausbildung anzufangen, kam für sie nicht mehr in Frage. Ich kann mir nur vorstellen, wie schwer es für sie war… 

Seit der Auswanderung mit je einem Koffer als Gepäck pro Familienmitglied und zehn „D-Mark“ für das Telefonat mit den Verwandten in Hamburg, um sie über unsere Ankunft in Nürnberg zu informieren, sind nun drei Jahrzehnte vergangen. Eher verflogen… Die vielen Ortswechsel und unendlich zahlreiche Begegnungen bescherten reichlich zwischenmenschliche Erfahrungen mit schmerzhaften Tiefs und hoffnungsvollen Höhenflügen über das Erfahrungsfeld Leben. 

Wie auch der Schmetterling erst eine Raupe werden und grundlegende Veränderungen erleben muss, so habe auch ich mich auf der Reise durch das Erfahrungsfeld gewandelt und verwandelte, das mir unser Schöpfer mitten im geschäftigen Europa anbot.  

Ich lernte voller Mut den ersten Schritt zu tun und neugierig zu bleiben, welche Möglichkeiten sich dann eröffnen, von völliger Finsternis bis zum unübertrefflichen Glückserlebnis. Die Absicht Furcht zu verlieren und das Vertrauen darin, dass jede Situation Wachstum und keinen Kampf bedeutet, ließ mich nicht nur jede Finsternis aushalten, sondern ist eine großartige Erfahrung, die jedem nützlich sein kann.  

Jede Möglichkeit meine Fähigkeit zur Wahrnehmung auszubilden, genoss ich in vollen Zügen. Aufgrund dessen, was unsere Sinne uns vermitteln, bilden wir unsere Vorstellungen, Meinungen, Sympathien, Antipathien und Urteile. Ganz nach dem Leitmotiv: Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind und so veränderten sich meine Denkweisen und meine Taten. Somit unterzog sich mein Leben permanenten Veränderungen.   

Foto von Ina (privat)

Ich nahm Sprachkurse in Hessen und erarbeitete mir das Abitur bei Aachen, schloss das Wirtschaftsstudium in Siegen erfolgreich ab, gefolgt von einem sechsmonatigen Auslandsaufenthalt an der Aston University of Birmingham in England, machte eine steile Karriere bei dm-drogeriemarkt im mittleren Management in und um die Metropole Frankfurt am Main. Es folgte meine Heirat, Geburt meines Sterns – meiner älteren Tochter Stella, Verlust meines Mannes, danach meine Tätigkeit als Beraterin für Aus- und Weiterbildung für sechsund-zwanzig dm-Filialen, Geburt und Erkrankung meiner jüngsten Tochter im Sauerland… 

Dem erfolgreichen Universitätsabschluss und einer steilen Karriere in meinem Berufsleben folgte eine sehr herausfordernde Phase im Leben meiner Töchter und mir auf privater Ebene, die etliche Jahre andauerte. Hier hieß es, die absolute Dunkelheit – die Umstände und auch sich auszuhalten. Somit wurde die Finsternis erneut für mich als eigene Qualität erfahrbar. 

Was bedeutet es für Dich, Nichts zu sehen? Was und wie entgegnet Dir die Welt, wenn Du Schwarz siehst? 

Aus der Dunkelheit können also mit Gottes Hilfe Schönheit und Sinn erwachsen. Man muss sich nur auf sie einlassen – und zuversichtlich sein. In meinem Fall kamen Gründung des gemeinnützigen Vereins Invario e.V., Ausbildung zur Seelsorgerin, Ausbildung zur Aromafach-beraterin und somit der Weg in die heutige Selbständigkeit… Glücklicherweise mit vielen hervorragenden menschlichen Begegnungen. 

In unserem gemeinnützigen Verein leisten wir Hilfe zur Selbsthilfe für Kinder und Erwachsene. „Ich will alleine!“ – sagen die kleinen Kinder weise. Kinder und Jugendliche verkörpern die reine Bildung, die Lernfreude und ein Interesse für Alles und Jeden. Alles, was sie dazu brauchen sind Möglichkeiten (mögen), denn es ist so: Eine Möglichkeit, die ich habe ist ein Vorhaben, das ich mag und eine Aufgabe, die ich mir stellen möchte. Also mögen und gemocht werden – lautet unsere Devise!   

Neben der psychologischen Unterstützung für Erwachsene liegt mir unser Kunstunterricht besonders am Herzen. Nicht zuletzt, da unsere Kursleiterin, die gute Seele Natalia Sarmiento-Duartes, alle unsere Kinder warmherzig „Solnze“ (Sonne) nennt. Kunst ist für mich ein Raum, in dem wir alle Barrieren, Blockaden und Grenzen überwinden, überformen und verwandeln können. Die Kunst ist wie das Leben selbst: ein Erfahrungsfeld, ein Entfaltungsraum für Deine eigene Blüte.  

Habe ich schon erwähnt, dass ich Edelweiß Blumen mag? Die weiße, sternförmige Alpenblume Mittelasiens steht für Liebe, Schönheit und Freiheit. Ihre weichen, zarten Blättchen sind wie in Moos eingewickelt, um von den Berührungen der eisigen Windböen nicht zu erfrieren. Genauso wie die Tulpen, die mich für ihr Sprießen beim ersten Wärmestrom im Frühling begeistern. Diese Eigenschaften begeistern mich in den Menschen bzw. in den Wachstumschancen, die uns unser Schöpfer in den „dunklen“ Zeiten anbietet. 

Ja, ich bin immer noch in die Schweiz Mittelasiens verliebt… Mittlerweile habe ich eine weitere Liebe entdeckt – die Liebe zu Italien. Nicht nur wegen der lebensfrohen und offenherzigen Kultur.   … Die Luft und die Erde duften dort fast wie in meiner früheren Heimat. Die Temperaturen unterscheiden sich nur leicht, da die beiden Länder auf dem gleichen Meridian liegen.  

Durch die Liebe zur Natur, den Erfahrungen bei meiner Oma – die unzählige Menschen mit ihrer Gottesgabe heilte, sowie durch die schwere Krankheit meiner Tochter, eröffnete sich mir ein neuer wundervoller Weg – meinen Mitmenschen mit den Kräften der Natur zu mehr Gesundheit und Wohlbefinden zu verhelfen. Ich habe meinen Herzensweg gefunden, indem ich meine Leidenschaften und alle meine Stärken vereinen kann und damit vielen Menschen für ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden eine effektive und natürliche Unterstützung als Mehrwert bieten kann. Jetzt „flattere“ ich von einer wunderschönen Menschenseele zur anderen und danke Gott für die damit zusammenhängenden Erfahrungen bzw. Chancen.  

Das Leben ist für mich ein Erfahrungsfeld zur Entfaltung eigener Sinne und Gedanken im Gespräch mit Gott. Und was für eine Art Schmetterling bist Du? Welcher Duft lässt Dein Herz lächeln? 

Einblicke in Inas Leben

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