Petya aus Olpe

Die Geschichte von Petya Dyankova-Joebges erzählt ein Leben, welches durch das sozialistische Ideal geprägt und durch die Soziale Marktwirtschaft verändert wurde….

Petya Dyankova-Jobges, Olpe, 2021 (Foto: Dirk Vogel)

Petya (geb. 1969) wuchs in Veliko Tarnovo, Bulgarien auf. Nach ihrem Abitur auf dem Mathematischen Gymnasium zieht sie im Alter von 18 Jahren nach Sofia, um zu studieren. 1992 machte sie ihren Akademischen Abschluss als Dipl. Ing. für Biotechnik und 1994 den Akademischen Abschluss im Bereich Management. Danach wohnte sie in Sofia und arbeitete zunächst in einer leitenden Position bei einer Firma für Elektronik, dann als Kreditkoordinatorin bei TOYOTA, Bulgarien. 2001 lernte sie geschäftlich ihren Mann kennen, der Deutscher ist und die Liebe zog sie nach Deutschland. 2002 heiratet sie ihn und fängt ein neues Leben in Deutschland an. Seit dieser Zeit wohnt sie in Olpe-Sondern, was eine große Überwindung in ihrem Leben war, da sie aus einer Großstadt auf das Land gezogen ist. 2003 bekommt sie ihre Tochter. Langsam lernt sie die deutsche Sprache und neue Leute kennen. Seit 2006 ist sie auch ehrenamtlich sehr aktiv und hilft anderen Migranten sich zu integrieren.

Zusammen mit ihrem Mann baute sie ein Haus in Olpe-Sondern. Zudem arbeiten sie gemeinsam in ihrem eigenen Unternehmen für Automatisierungstechnik. 2009 erhält sie neben der bulgarischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft. 2013 findet sie ihre dritte Heimat durch den Kauf einer Immobilie auf Mallorca, Paguera und fängt an Spanisch zu lernen…

Petya, Olpe 2021, fotografiert von Dirk Vogel

Meine Geschichte: Petya

Immer öfter stelle ich mir die Frage: Wer bin ich? Eine Bulgarin, eine Deutsche oder eine Spanierin?

Ein Kind des Sozialismus, dessen Auswirkungen sich in meinem Charakter widerspiegelten. Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, dann wurde ich immer wieder vor neue Herausforderungen und Prüfungen gestellt. Nun werde ich versuchen, Ihnen in kurzer Form meine Geschichte zu erzählen. 

Aufgewachsen mit einem sozialistischem Weltbild

Vor 54 Jahre erblickte ich die Welt, als erstes Kind eines ehrgeizigen Abteilungsleiters und Parteisekretärs und einer bescheidenden Bürokauffrau. Ich bin in Veliko Tarnovo geboren. Eine landschaftlich reizvolle bulgarische Stadt am Flusslauf Jantra. Veliko Tarnovo war während des Mittelalters die Hauptstadt von Bulgarien, mittlerweile ist es Sofia. Der älteste Teil der Stadt liegt auf drei Hügeln und hat viele Denkmäler. Dazu gehören die Ruinen der Burgen von Zarewetz (mit dem Königpalast und dem Palast des Patriarchen) und Trapezitsa, die Kirche des Heiligen Demetrius von Thessaloniki, die Kirche der vierzig Märtyrer und zahlreiche Häuser mit typisch bulgarischer Architektur. Heute zu Tage ist Veliko Tarnovo ein sehr beliebtes Reiseziel für Touristen, die Bulgarien besuchen.

Ich habe eine glückliche und unbeschwerte Kindheit erlebt. In meinen ersten Jahren habe ich zusammen mit meinen Eltern und Großeltern mütterlicherseits in einem Haus in Veliko Tarnovo gewohnt. Das Haus befand sich in der Nähe eines Parks. Dadurch ist meine Verbundenheit zur Natur entstanden und mein Entdeckergeist geweckt worden. Dort habe ich mit den anderen Nachbarskindern gespielt, wir sind Fahrrad gefahren und im Winter Schlitten und Ski mit den alten Holzskiern von meinem Opa.

Ich bin während des Sozialismus geboren und dies spiegelt sich in meiner Kindheit wider. Alles war geregelt.  Alles war sicher. Es gab keine Arbeitslosigkeit, keine Kriminalität. Der Kindergarten war von morgens 7 Uhr bis abends um 19 Uhr geöffnet. Alle Eltern konnten ihre Kinder morgens zwischen 7 und 9 Uhr dort hinbringen und am Nachmittag frühestens um 16 Uhr abholen. Dort haben wir gefrühstückt, dann wurden Spiele gespielt und es gab viele andere Aktivitäten. Nach dem Mittagsessen haben wir 2 Stunden geschlafen, dann gab es Snacks und es wurden erneut Spiele gespielt, bis jedes Kind von seinen Eltern oder Großeltern abgeholt wurde. Dort wurden unter anderem Geburtstage gefeiert oder verschiedene Theaterstücke oder Gedichte für irgendwelche Feiertage einstudiert und im späteren Verlauf vor den Eltern vorgetragen. Deswegen war es anfangs für mich etwas unverständlich, dass meine Tochter, die in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, nur drei Stunden am Tag im Kindergarten verbracht hat.

In Bulgarien ist ein großer Teil der Bevölkerung christlich-orthodox. Während des Sozialismus wurde die Kirche unterdrückt. Für die Parteimitglieder war es verboten, in die Kirche zu gehen und deswegen wurden die Kinder nicht in der Kirche getauft, sondern in dem Standesamt von der Standesbeamtin. Deswegen wurde ich kirchlich erst mit 23 Jahre getauft, nach der Wende. Außerdem war Weihnachten kein offizieller Feiertag, weil es ein christlicher Feiertag ist. Nur Silvester wurde gefeiert und an diesem Tag haben die Kinder ihre Geschenke von Opa Frost (verkleidet als Nikolaus) bekommen. Am nächsten Morgen haben die Kinder mit ihrem selbst geschmückten „Surwaknizi“ (der aus Hagebutteholz gemacht und selbst mit glitzerndem Papier und Popcorn verziert wurde) ihren Eltern, Großeltern und anderen Verwandten auf die Schulter geklopft, um Gesundheit zu wünschen und im Gegenzug haben die Personen ihnen Kleingeld für ihre Spardose gegeben. Eine weitere Tradition, die auch bis heute geblieben ist, besteht darin, in der Nacht des Jahreswechsels eine „Baniza“ zu servieren (dünner Blätterteig mit Fetakäse und Eiern gebacken) und in dieser befinden sich kleine Holzstückchen aus Hagebutte, welche mit einem kleinen Stück Papier umwickelt sind. Auf diesen kleinen Zetteln stehen die Glückwünsche für das Neue Jahr. Jeder zieht ein Stück von der Baniza und sieht, welches Glück er für das kommenden Jahr erhalten wird. Deswegen war Silvester für uns Kinder immer das Ereignis des Jahres. Abgesehen von einem guten Silvesteressen haben wir Bananen und Orangen bekommen. Diese gab es während des Sozialismus nur zwei bis drei Tage vor Silvester im Supermarkt zu kaufen. An dieser Stelle fand meine erste Berührung mit der westlichen Welt statt.

Ein weiteres großes Ereignis für uns Kinder war der Sommerurlaub. Jedes Jahr im Sommer waren wir jeweils für zwei Wochen am Schwarzen Meer. Dort haben wir unseren Sommerurlaub verbracht. Zu dieser Zeit ist meine Leidenschaft zum Meer entstanden. Diese Zeit war für mich als kleines Kind ein Paradies. Unbeschwert mit den großen Wellen des Schwarzen Meers zu spielen, stundenlang Sandburgen zu bauen und mit anderen Kindern Ballspiele im Wasser oder im Sand zu spielen – das war meine kleine Traumwelt.

Mit 7 Jahre wurde ich eingeschult. Ich war eine sehr fleißige und vor allem sehr gute Schülerin. In der Schule haben die Schüler Schuluniformen getragen und es herrschte Disziplin und Respekt gegenüber den Lehrern. Das Tragen von Schuluniformen ist aus meiner heutigen Sicht sehr gut, da man nicht lange überlegen musste, was man anziehen würde. Wenn ich mich an die Grundschulzeit von meiner Tochter zurückerinnere und an die ganzen Streitereien aufgrund von unterschiedlicher Kleidung, dann bin ich froh, dass mir dieser ganze Trubel durch das Tragen einer Schuluniform erspart wurde. 

Ich war in der ersten Klassem als mein Bruder zur Welt kam. Da ich 7 Jahre älter bin als er, habe ich mich oft um ihn gekümmert und meiner Mutter viel geholfen.

In Bulgarien sind die Sommerferien 3 Monate lang. Während dieser Zeit war ich auch oft bei meinen Großeltern väterlicherseits zu Besuch. Ich war jedes Wochenende mit meinen Eltern dort. Diese haben in einem Dorf in der Nähe von Veliko Tarnovo gewohnt und wir haben dort beispielsweise bei der Versorgung der Tiere geholfen oder bei der Ernte von Gärten und Feldern. Deswegen bin ich es seit klein auf gewohnt, fleißig zu arbeiten. Der Vater von meinem Vater war Metzger und aus diesem Grund hatten wir immer frisches Fleisch und meine Oma hat immer frisches Obst und Gemüse in dem Garten gehabt. Dieses Haus hat mir mein Vater vermacht, bevor er starb. Gemeinsam mit meinem Mann haben wir dieses Haus renoviert und es ist nun unser Zuhause, wenn wir in Bulgarien sind. So bleibt die Verbundenheit zu meinem Heimatland und die Erinnerungen aus meiner Kindheit bleiben lebendig. Vielmehr lebten sie durch die Kindheit meiner Tochter wieder auf.

Nach der Grundschule ging ich auf das Mathematische Gymnasium. Mathe war mein Lieblingsfach, obwohl ich an vielen Fächern Freude hatte. Das Ideal des Sozialismus bestand darin, Personen auszubilden, welche vielseitig entwickelt sind. Dies hat sich fest in meinem Charakter verankert und bis heute bin ich eine perfektionistisch veranlagte Person. 

Eine neue Stadt bringt neue Herausforderungen mit sich

In dieser Zeit und neben dem Abitur habe ich eine Berufsqualifikation als Programmiererin von elektronischen Rechenmaschinen abgeschlossen. Dann war klar, dass ich an der Technischen Universität studieren würde. So bin ich nach Sofia umgezogen, der Hauptstadt von Bulgarien. Dort befand sich die beste Technische Universität. Während dieser Zeit war es nur mithilfe eines Examens in Mathematik möglich, einen Studienplatz zu bekommen. Zudem gab es ein Examen über die Geschichte der Bulgarischen Kommunistischen Partei (BKP) und über das sozialistische Ideal. Die zweite Prüfung war Pflicht für jede Universität, egal was man studieren wollte. Aufgrund meiner besonders guten Ergebnisse bekam ich einen Studienplatz als Ingenieurin für Biotechnik. Das war ein sehr neues Studium mit vielen neuen Perspektiven. Es waren nur 20 Personen aus dem ganzen Land, die einen Studienplatz bekommen haben. Ich musste extrem viel lernen, in vielen unterschiedlichen Fächern wie Biologie, Chemie, Physik, Mathematik und Technik, alle naturwissenschaftliche Fächer, die man in der Schule hat, aber auf viel höherem Niveau. Besonders interessant ist, dass es im ersten Jahr erneut ein Examen über die BKP gab und zusätzlich das Fach politische Wirtschaft eingeführt wurde. Am 10.11.1989 kam die Wende, worauf hin das politische Leitbild ungültig war und wir kein weiteres politisches Examen mehr ablegen mussten. Ein interessanter Zufall oder auch nicht ist, dass meine Tochter an dem Tag der bulgarische Wende geboren ist. Ohne diese Wende wäre ich wahrscheinlich nie nach Deutschland gekommen. Die Bulgaren sind eine sehr abergläubische Nation und daher bin ich dies in gewissen Maßen auch. In der Zeit vor der Wende mussten alle Studenten jedes Jahr am Ende der Sommerferien zusammen in der Agrarwirtschaft arbeiten. Aus heutiger Sicht betrachte ich dies als etwas sehr erfolgreiches, da es den jungen Menschen das teamorientierte Arbeiten und die landwirtschaftliche Arbeit nähergebracht hat. Als Abendprogramm haben die Leiter von unseren Lagern Partys organisiert, dort konnten wir uns bereits vor Anfang des Studiums kennenlernen und somit Freundschaften fürs Leben schließen. Meine zwei besten Freundinnen sind seit dieser Zeit immer ein Teil meines Lebens geblieben. 

Nach 5 Jahren Studium war ich Dipl. Ing. für Biotechnik. Im vierten Studienjahr habe ich zusätzlich noch ein Studium als Manager angefangen und nach vier weiteren Jahren habe ich auch ein Diplom als Managerin erhalten.

Nachdem ich meine erste Akademische Ausbildung abgeschlossen habe, fing ich bei einer Firma, die elektronische Produkte verkaufte, als Managerin an zu arbeiten.

Nach ein paar Jahren habe ich zu einer Firma, die gebrauchte Autos verkauft, gewechselt, diese stammen ursprünglich aus der Schweiz. Dadurch war ich oft in Schweiz. Das waren die ersten Male, dass ich Bulgarien verließ und meine aus der Schule erworbenen Deutschkenntnisse unter Beweis stellen konnte. Für mich war die Schweiz damals eine andere Welt.

Meine Leidenschaft zu Autos ist unverändert geblieben und aus diesem Grund habe ich nach ein paar Jahren angefangen bei TOYOTA, Bulgarien als Kreditkoordinatorin zu arbeiten. Das war eine sehr gute Zeit für mich. Ich war sehr selbständig und zu 100% auf meine Karriere fokussiert.

Von meiner Wohnung aus waren es nur 5 Minuten zu Fuß zu meiner Arbeitsstelle, da diese sehr zentral lag. Zu diesem Zeitpunkt habe ich meinen zukünftigen Mann kennengelernt. Er ist Deutscher und heißt Manfred. Er war aufgrund von einer Geschäftsreise in Bulgarien. Seine Übersetzerin war eine Freundin von mir und sie wusste, dass er sich für die Firma, in der meine Eltern gearbeitet haben, interessierte, und so hat sie mich darum gebeten, ihm zu helfen. So sind wir beide nach Veliko Tarnovo gefahren. Meine beiden Eltern haben schon ihr ganzes Leben in diese Firma gearbeitet. Mein Vater war Abteilungsleiter und ich war schon oft als Kind in der Firma, außerdem habe ich ein zweimonatiges Praktikum vor meinen Studium dort absolviert. Ich kannte also den Geschäftsführer der Firma und konnte den Kontakt herstellen. Manfred war sehr beeindruckt von mir und daraus ist dann Liebe erstanden. Nachdem er nach Deutschland zurück gekehrt war, haben wir jeden Tag stundenlang telefoniert. Darauf folgten einige Besuche in Bulgarien, und wir verbrachten einen gemeinsamen Urlaub. Ich habe ihn zu dieser Zeit auch ein paar Mal in Deutschland besucht. Eine Freundin von mir, ihr zukünftiger Mann, Manfred und ich haben eine zweiwöchige Reise durch Deutschland, Österreich und Italien zusammen gemacht. So ist eine große Liebe erstanden. Wir haben sehr viele gemeinsamen Interessen und diese haben uns zusammengeführt. In unserer ersten, gemeinsamen Silvester hat er mir einen Heiratsantrag gemacht.

Ein neues und vor allem anderes Leben in der westlichen Welt

Ich war immer eine bulgarische Patriotin und wollte eigentlich nie einen Ausländer heiraten, noch weniger ins Ausland ziehen. Aber ich musste mich entscheiden, zwischen der Kariere und der Liebe. Ich habe mich für die Liebe entschieden. Die Zeit hat gezeigt, dass diese Entscheidung die richtige war. So sind wir nun seit fast 22 Jahre verheiratet und haben gemeinsam viel erreicht. Die erste Hürde bestand darin, die Papiere für unsere Hochzeit zu besorgen. Zu diesem Zeitpunkt war Bulgarien noch kein EU-Mitglied. Dieser Prozess hat länger als ein halbes Jahr gedauert und dann konnten wir die Eheschließung in dem Rathaus von Attendorn machen. Einen Monat später haben wir eine Märchenhochzeit in Bulgarien gefeiert und orthodox geheiratet. Nach der Hochzeit haben wir auf Mallorca, Paguera unsere Flitterwochen verbracht. Das hat Spuren in unserem Leben hinterlassen, die ich Ihnen zu einem späteren Zeitpunkt in meiner Geschichte erzählen werde. Das unendliche blaue Meer, die wunderschönen Strände, die Sonne, das alles hat mein Leben für immer geprägt. 

Das Leben in Deutschland war anfangs für mich nicht leicht. Die größte Umstellung bestand allerdings darin, von einer Hauptstadt wie Sofia in eine ländliche Gegend wie Olpe-Sondern zu ziehen, aber immerhin spendet mir die wunderschöne Aussicht auf den Biggesee Trost. Vor allem im Sommer, wenn die kleinen Segelbote vom Wind hin und her geweht werden. Außerdem kann man lange Spaziergänge im umlegenden Wald machen. Es ist so ein großes Glück, da zu wohnen, wo andere Urlaub machen. Durch diesen Genuss ist es für mich leichter gewesen, mich hier einzuleben. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich nicht so gut Deutsch sprechen. Dies musste ich schnell ändern. Deswegen habe ich in Siegen bei der Sprachakademie angefangen, jeden Tag Deutsch zu lernen. Die Gruppe war sehr gemischt. Viele junge Leute aus verschiedenen Länder, die zum einem späteren Zeitpunkt an der Uni Siegen studieren wollten. Es hat mir viel Spaß gemacht, zusammen mit ihnen die deutsche Sprache zu erlernen. Mit einen sehr guten Abschluss nach einem halbem Jahr war ich fertig. Ein paar Monate später kam meine liebe Tochter Steffi als Frühchen zu Welt. Einen Monat früher als geplant, genau an dem Tag der bulgarischen Wende. Es war wie ein sehr lange erwünschtes Wunder, dass wahr wurde. So ein kleines Mädchen, welches sehr kämpferisch ist. Im dritten Monat hat sie es geschafft, den Entwicklungsstand der gleichaltrigen Babys aufzuholen. Wir waren sehr glücklich und zufrieden. Nachdem Steffi schon ein Jahr alt wurde, wurde ich zum Spielkreis von den anderen Frauen mit gleichaltrigen Kinder eingeladen. So habe ich Freundschaften geschlossen mit den Frauen, die hier wohnen. Gleichzeitig habe ich angefangen, mich in meiner freien Zeit mit den Aufgaben in der Firma von mein Mann zu beschäftigen. Mit der Zeit wurde ich immer besser und ich habe verschiedenen Kurse besucht. Heute bin ich für die Finanzen in der Firma zuständig. Wir ergänzen uns bei der Arbeit und sind ein eingespieltes Team. Die Arbeit macht mir Spaß und ich kann auch meinen Akademischen Abschluss als Manager und meine Ingenieurkenntnisse einsetzen. 

Wir haben Glück gehabt und konnten von der Stadt Olpe ein Grundstück erwerben, welches sich direkt vor der Wohnung befindet, in der wir zu diesem Zeitpunkt gewohnt haben. Dann haben wir angefangen zu bauen. Die Bauphase hat ungefähr ein Jahr gedauert. Ich konnte von unserem Fenster aus alles beobachten und so habe ich während des Baus ein paar Baufehler vermeiden können. Nachdem das Haus fertig war, sind wir umgezogen und haben die untere Etage als Büro eingerichtet. Das war sehr praktisch für mich, weil ich mir meine Zeit selbst einteilen konnte zwischen Steffi, der Arbeit in der Firma und der Hausarbeit. So hat auch Steffi später viel mitgekriegt und war ihren Mitschüler einen Sprung voraus. Wir haben zusammen als Familie sehr viele Reisen gemacht und das hat unseren Horizont stark erweitert. Vor allem das Verständnis für andere Kulturen und Religionen verstärkt. Man sieht wie groß die Unterschiede zwischen den Europäischen Länder und den Entwicklungsländern sind, besonders die Spaltung zwischen arm und reich ist dort enorm und für uns Europäer kaum nahbar.

Auch die Sachen, die für uns selbstverständlich sind, gelten dort als Luxus. Und nicht zuletzt schätzt man sich glücklich, in Europa geboren zu sein. Auf der einen Seite haben diese Reisen meine Liebe für neue Sprachen erweckt. Auf der anderen Seite konnte ich so neue Eigenschaften an mir entdecken. In meiner Schulzeit, die während des Sozialismus stattgefunden hat, mussten wir die ganze Schulzeit lang Russisch lernen. Ab der achten Klassen dann eine andere westliche Sprache (zur Auswahl standen: Deutsch, Französisch oder Englisch). In meinen Fall war es die deutsche Sprache und später an der Uni Englisch. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich kein besonderes Interesse an Sprachen, da ich keine Verwendung für diese hatte. Heute sind die Dinge ganz anders und Sprachen stehen in meinem Leben im Fokus. Heute lerne ich seit zehn Jahren einmal in der Woche Spanisch. Wir haben 2013 eine Immobilie auf Mallorca, Paguera gekauft. Für mich ist das die schönste Insel der Welt. Noch ein Beweis dafür, dass nichts zufällig passiert. Für mich ist es wichtig, die Einheimischen gut verstehen zu können und mit ihnen kommunizieren zu können. So fühlt man sich integriert und die Menschen vor Ort freuen sich, wenn man mit ihnen auf ihrer eigenen Sprache kommuniziert. Obwohl die Spanier sowieso sehr herzliche Leute sind. So kann ich oft dort sein und das türkisblaue und saubere Mittelmeer mit den wunderschönen Stränden und der warmen Sonne genießen. Für mich ist es ein Ort zur Erholung von dem stressigen Alltag und dem meist regnerischem und kühlen Wetter in Deutschland. Das Meer gibt mir Kraft und Geborgenheit.

Als ich das Ehrenamt für mich entdeckte

In Deutschland habe ich durch eine Einladung zu dem Runden Tisch der Integration von der Stadt Olpe die ehrenamtliche Arbeit entdeckt, welche ich aus Bulgarien noch nicht kannte. Dadurch habe ich sehr viele neue Menschen kennengelernt, neue Freundschaften geschlossen und durch mein freundliches und kommunikatives Auftreten viele neue Türen eröffnet. Es macht mir sehr viel Spaß mit anderen Menschen zu kommunizieren, sich auszutauschen, neue Kulturen und Sitten kennen zu lernen. Ich war sehr aktiv an dem Runden Tisch Integration beteiligt, welcher zunächst auf 2 Jahre befristet war. Mir war sofort bewusst, dass diese Arbeit von uns weiter fortgesetzt werden musste. So ist der Verein „Miteinander in Olpe“ e.V. entstanden, in dem ich seit 15 Jahre als Stellvertretende Vorsitzende tätig bin. Das Ziel des Vereins ist es, den Dialog zwischen Menschen mit deutscher Herkunft und solchen mit einer Zuwanderungsgeschichte zu fördern durch gemeinsame Veranstaltungen, und die Begegnung von Menschen mit unterschiedlicher Herkunft zu ermöglichen. In diesen Sinne haben wir verschiedene Projekte durchgeführt: Tagesfahrten unter dem Motto „Wir erfahren unser Land“, Studienfahrten zum Bundestag, Landtag und Europaparlament, Miteinander – Gespräche, Miteinander kochen, Stammtisch einmal im Monat, Olper Kalender der Religionen und Kulturen, verschiedene Veranstaltungen mit anderen Vereinen und sogar vier Reisen in andere europäische Länder. Ich vertrete den Verein in dem Ausschuss Bildung, Soziales und Sport bei der Stadt Olpe. So bin ich immer auf dem neuesten Stand, was in unserer schönen Stadt Olpe passiert. Für mich ist das sehr interessant. Meine ehrenamtliche Arbeit habe ich die letzten Jahren fortgesetzt, auch als Elternbegleiterin in der Berufsorientierung und Sprachmittlerin, nachdem ich die entsprechende Qualifizierung gemacht habe.

Diese ehrenamtliche Arbeit erfühlt meinen Wunsch, Jugendlichen dabei zu helfen, den richtigen Weg für ihre Zukunft einzuschlagen. Nachdem ich einen erfolgreichen Einbürgerungstest im Jahr 2009 gemacht habe und mit einem Diplom von der Sprachakademie in Siegen bewiesen habe, dass ich die deutsche Sprache beherrsche, habe ich meine deutsche Bürgerschaft erhalten. Mein Mann und meine Tochter sagen, dass ich die „Deutscheste“ aus der ganzen Familie bin, da ich stets auf Pünktlichkeit achte und korrekt bin. Vielleicht liegt, dass an meinem perfektionistischen Charakter, oder es sind die Spuren des Sozialismus. Diese Zeit werde ich immer als positive Erinnerung beibehalten. 

In Deutschland habe ich zudem noch Klavier spielen gelernt. Ein Wunsch aus meiner Kindheit, den ich später durch meine Tochter, die auch Klavier spielt, in Erfüllung gehen ließ.

So bin ich in Deutschland nun angekommen. Ich fühle mich aber genauso auf Mallorca und in Bulgarien zuhause. Denn überall sind meine Freunde und wunderschöne Erinnerungen!

Und heute, jetzt, in diesem Moment weiß ich es ganz genau:

Ich bin eine stolze Europäerin!  

Einblicke in Petyas Leben

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